„In Lil April steckt viel von meinen eigenen Gefühlen“

Ende August war Stephanie Gessner in Berlin, um mit Mann und Töchtern (17 und 14) ein Konzert von Milky Chance zu besuchen. Während ihre Familie am Sonntagmorgen den Flohmarkt am Mauerpark unsicher machte, haben Stephanie und ich uns zu einem Interview im Literaturhaus Berlin getroffen.

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Hallo Stephanie! Vor kurzem ist der dritte Band von „Lil April“ erschienen, der vierte ist für Januar angekündigt. Hat sich damit für Sie ein Traum erfüllt? Auf jeden Fall! Das erste Buch auf den Markt zu bringen ist sehr schwierig. Klar, es passiert auch manchmal, dass das schnell und unproblematisch abläuft. Aber bei den meisten Autoren ist es ein längerer Prozess. So war es auch bei mir und deshalb wäre ich schon mit einem einzigen Buch glücklich gewesen. Dass es jetzt sogar vier „Lil April“-Bände werden, ist für mich schon ein Traum.

Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee zu „Lil April“? Ich schreibe ja auch in meinem Hauptberuf als Texterin sehr viel und irgendwann sagte eine meiner Töchter zu mir: „Du schreibst nie für uns.“ Ich habe mir das durch den Kopf gehen lassen und gedacht: Recht hat sie. Und dann habe ich mich gefragt, was für Geschichten mir selbst früher Spaß gemacht haben. Denn am besten bleibt man beim Schreiben bei den Dingen, die man gut kennt.

Und was war das? Was hat Sie interessiert? Ich war zum Beispiel nie ein Fantasy-Fan, darum dachte ich, ok, es müsste eine realistische Geschichte sein. Und dann habe ich mich auf meine eigenen Wurzeln, meine eigene Familie besonnen. Du musst wissen: Ich habe fünf Geschwister. Das ist heute schon exotisch. Also habe ich mir gedacht, ich nehme jetzt mal so ein Großfamiliensetting. Und zwar genau die Konstellation, die es bei mir Zuhause auch gab: drei Jungen und drei Mädchen.

War „Lil April“ Ihre erste Veröffentlichung? Es war nicht die erste Veröffentlichung an sich, weil ich vorher schon Kurzgeschichten geschrieben und veröffentlicht hatte, allerdings für Erwachsene. Die sind in verschiedenen Literaturzeitschriften erschienen. Als Buch war „Lil April“ meine erste Veröffentlichung.

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Der dritte Band von „Lil April“

Wie haben Sie es geschafft, das Buch bei einem Verlag unterzubringen? Als ich das Manuskript fertig geschrieben hatte, habe ich es gar nicht an Verlage geschickt, denn ich hatte gesehen, dass die Akademie für Kindermedien in Erfurt einen Preis auslobt. Sie kürt jedes Jahr 12 Kinderbücher, Drehbücher und Serienideen, die noch nicht erschienen sind. Ich habe mein Manuskript dort eingeschickt und bin damit unter diese ersten 12 gekommen.

Das ist ja cool. Und was ist dann passiert? Damit hatte das Manuskript eine Art Prädikat, mit dem ich es dann an verschiedene Literaturagenturen schicken konnte. Einige wollten es haben. Und der Agent, dem ich meine Unterschrift gegeben habe, hat das Buch schließlich verschiedenen Verlagen angeboten. Das war gar nicht mehr schwer. Aber ohne die Akademie der Kindermedien hätte das nicht so schnell geklappt.

Wieso haben Sie sich für Magellan entschieden? Naja, es gab damals drei Verlage, die „Lil April“ veröffentlichen wollten. Einer davon war ein sehr großer Publikumsverlag und zwei waren kleiner. Magellan war davon abgesehen auch noch sehr jung. Meine Agentur hat mir zu Magellan geraten und mein Bauchgefühl auch, weil ich fand, dass sie bis dahin sehr schöne Bücher gemacht hatten. Ich dachte mir auch, dass es vielleicht besser sein könnte, einen kleineren Verlag zu wählen. Ein großer Verlag macht 500 Bücher im Jahr und Magellan hat damals 25 gemacht. „Lil April“ bekäme dort vielleicht ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und Rückenwind, hoffte ich.

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Vier Bücher hat Stephanie Gessner bislang veröffentlicht, alle beim Magellan Verlag

Und wie lange hat es von der Idee bis zum fertigen Manuskript gedauert? Vier Wochen. Das ging ganz schnell beim ersten Buch, weil ich mir damals nur einen Monat Zeit für das Schreiben genommen habe. Ich bin ja auch berufstätig und habe gedacht, ok, ich nehme jetzt diesen November und schreibe jeden Tag. Auch sonntags. Und dann hatte ich das Manuskript in vier Wochen fertig und habe es in Erfurt eingereicht. Bevor es zum Agenten und zum Verlag geschickt werden konnte, musste ich es noch einmal überarbeiten, dieses Mal in Ruhe. Die zweite aufwändige Überarbeitung war schon mit der Lektorin von Magellan zusammen, die hat auch noch einmal sehr viel Zeit gekostet.

Wer gestaltet eigentlich die Cover? Die Cover macht bei Magellan ausschließlich der Grafiker, der dort angestellt ist. Wenn er mit einem Cover fertig ist, zeigt meine Lektorin es mir und ich darf sagen, was ich eventuell ändern möchte. Auf dem dritten Band (zeigt auf das Cover) war zum Beispiel ein recht altmodisches Kleid zu sehen. Da habe ich vorgeschlagen, lieber Jeans und Top zu nehmen. Kleinigkeiten verändere ich also manchmal.

Worum wird es im vierten Band gehen? Es wurde ja schon lange angekündigt, dass Lil wegzieht und im vierten Band zieht die Familie dann tatsächlich nach England. Lil und Pego haben dazu wenig Lust und man kann sich vorstellen, dass das für Probleme sorgt. In der neuen Schule gibt es auch einige Figuren, die Lil das Leben schwer machen.

Ist der vierte Band schon fertig? Der ist so gut wie fertig. Im Moment befindet er sich im Feinlektorat, d.h., die groben Sachen sind schon durchgesprochen und es geht nur noch um Kleinigkeiten wie Wortwiederholungen.

Lil hat fünf Geschwister und Sie haben erzählt, dass Sie selbst auch fünf Geschwister haben… Ja, das stimmt.

Wie viel von Ihrer eigenen Lebensgeschichte steckt in den Büchern? Also erst mal bin ich im Gegensatz zu Lil nicht die Zweitälteste, sondern die Jüngste von sechs Kindern. Das fand ich aber eine ganz unpraktische Perspektive, weil die Jüngste immer viel weniger erlebt als der Rest der Familie. Ich wollte eine Figur haben, die von oben auf die anderen Figuren hinuntergucken kann. Ich wollte aber auch unbedingt, dass Lil einen größeren Bruder hat, der sie nervt. Ich selbst habe drei ältere Brüder und kenne das Gefühl sehr gut. Pego ist so eine Art Kondensat von meinen eigenen drei Brüdern. Da steckt von jedem so ein bisschen was drin (lacht). Pego hat aber auch noch Charakterzüge, die nichts mit meinen Brüdern zu tun haben.

Hat denn das, was Lil April erlebt, mit ihren eigenen Erlebnissen zu tun? Hat Ihre Familie zum Beispiel auch mal ein Kind auf dem Bahnhof vergessen? Nein. Es sind andere Sachen passiert, aber die habe ich bisher noch nicht aufgegriffen. Von meinen Erlebnissen steckt fast nichts in dieser Familie April. Aber von meinen Gefühlen ganz viel! Wie zum Beispiel das Miteinander mit Geschwistern ist, dass man sich manchmal die Butter auf dem Brot nicht gönnt, aber im Notfall auch zusammenhält. Dass man auch hart austeilt, dann aber auch den anderen wieder beschützt. Dass immer etwas los ist. Das will ich zeigen.

Ist denn irgendetwas von dem, was Lil und ihre Geschwister erleben, wahr? Ja, einer meiner Brüder hat früher beim Essen auf sein Essen gespuckt, damit es ihm keiner wegnehmen konnte. Und das macht ja Orion im Buch auch, also zumindest im ersten Band. Weil er Angst hat, dass ihm jemand seinen riesen Turm Salami wegnimmt, spuckt er schnell drauf…. (lacht).

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Beim Signieren der „Lil April“-Bücher kommt oft dieser Stempel zum Einsatz. Er zeigt eine Wasserlilie und stammt aus einem winzigen New Yorker Stempelladen. Den anderen Stempel (unten) hat Stephanie Gessner extra anfertigen lassen

Haben die Figuren eigentlich konkrete Vorbilder? Nein, aber es gibt von lebenden Vorbildern kleine Aspekte. Ich finde es auch wichtig, dass es dabei bleibt und sich nicht eine Figur vollständig in einem Buch wiederfindet. Ich würde das von mir nicht wollen und würde es aber auch niemand anderem antun.

Was hat Ihnen als Kind daran gefallen, so viele Geschwister zu haben? Ich war ein ziemlich ängstliches Kind, habe mich viel mit Büchern befasst und bin gar nicht so viel raus gegangen. Zumindest bis ich acht oder neun war, habe ich vor allem versucht, keine Risiken einzugehen. Ich fand es immer schön, dass bei uns viel los und ich nie alleine war und meine Geschwister sozusagen da waren, um mich zu beschützen. Ich fand das heimelig. Und ich fand es auch immer toll an großen Festen, wie Weihachten oder Geburtstag. Wir brauchten gar keine Freunde nach Hause einzuladen, obwohl wir das natürlich auch taten, weil immer genügend andere zum Spielen da waren. Als ich älter war, bin ich auch gerne rausgegangen. Ich komme ja vom Dorf, wir hatten Wald und Wiesen um uns herum, und später fand ich das auch schön.

Und was hat Ihnen damals nicht so gut an Ihrer großen Familie gefallen? Naja, dass man in so einer großen Kinderschar seinen Platz behaupten muss. Ich selbst habe zwei Kinder, Du hast eine Schwester. Da gibt es Mama und Papa und zur Not hat jeder einen Elternteil um sich mal Rat zu holen oder so. Bei uns war das so, dass man sich eben die Eltern und deren Aufmerksamkeit teilen musste und das ist sicher ein Nachteil gewesen. Das hat uns aber andererseits auch sehr selbstständig gemacht, weil man natürlich als Kind schon vieles selbst regeln musste.

Mit wem von Lils Geschwistern können Sie sich am besten identifizieren? Ich glaube mit jedem ein bisschen und das ist auch ganz wichtig und macht mir auch Spaß. Wenn ich für Lil April einen neuen Band skizziere, weiß ich noch nicht, was genau im Einzelnen passiert. Ich merke, wie die einzelnen Figuren reagieren und auch miteinander agieren und da kann ich mich wirklich in jeden hineinversetzen. Und dann entwickelt sich die Geschichte quasi von selbst.

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Greifen Sie manchmal auch Dinge auf, die Ihre eigenen Töchter erleben oder die Sie mit ihnen erleben? Sprachlich ja. Wenn ich meine Töchter irgendwohin bringe, mit dem Auto, und dann sitzen da noch ein paar Freundinnen dabei, dann höre ich, wie die miteinander reden. Und das finde ich ganz wichtig für die Sprache im Buch. Wenn ich mir nicht sicher bin, ob ein Ausdruck geht, dann frage ich meine Töchter auch um Rat.

Zum Beispiel? An einer Stelle sollte Pego zu Lil sagen: „Nun sei doch nicht so eine Tussi“. Tussi ist ein Wort, das in meiner Jugend viel benutzt wurde, aber ich war mir nicht sicher, ob das heute auch noch so ist . Ich habe meine Kindern gefragt, würdet Ihr das noch einer Person abnehmen, wenn die das sagt. Und dann haben die geantwortet: „Nee, eher nicht. Man hört das Wort auch schon noch mal, aber nicht so sehr.“ Also habe ich es gelassen.

Wie finden Ihre Töchter die Bücher? Ich glaube, ziemlich gut. Beim ersten Band, als meine große Tochter elf war, da hat sie jeden Tag nach der Schule die Seiten, die neu entstanden waren, gelesen. Und seitdem sind die beiden eigentlich immer dabei. Aber nicht mehr während des Schreibens, weil das zu sehr irritiert. Ich schreibe einfach das Manuskript fertig und dann lesen sie es.

Geben die beiden Ihnen auch Tipps? Ja, ab und zu. Hin und wieder gibt es eine Geschichte, die in der Schule passiert. Und dann kommen sie nach Hause und sagen: Vielleicht kannst Du das gebrauchen! Da ist zum Beispiel ein Junge in der Klasse von meiner jüngeren Tochter, der fällt dauernd vom Stuhl. Der hat mich ein bisschen für den kleinen Alfiti inspiriert, der auch so quirlig ist (lacht). Doch, doch, es kommen schon Ideen von meinen Töchtern.

Lil und ihre Geschwister haben alle altgriechische Namen. Wie kamen Sie darauf? Als ich die Familie entworfen habe wollte ich, dass der Vater ein intellektueller, zerstreuter Typ ist, so ein bisschen schrullig. Darum sollten die Kinder nicht Sarah, Johanna oder Lina heißen, sondern ein bisschen abgedreht. Da ich Kunstgeschichte studiert und viele griechische Sagen gelesen habe, kam ich auf diese Namen.

Und warum spielen die ersten beiden Bücher in München? Lil sollte auf keinen Fall auf dem Dorf leben wie ich als Kind. Und da ich mich in München gut auskenne, habe ich die dahin verpflanzt. In München wohnt auch meine beste Freundin, das heißt, alles, was ich vor Ort noch klären muss, kann ich mit meiner Freundin besprechen. An Berlin hatte ich auch kurz gedacht, aber Berlin finde ich zu groß. In Frankfurt kenne ich mich sehr gut aus, die Stadt mag ich auch sehr, aber ich hatte damals noch ein anderes Manuskript geplant und das soll in Frankfurt spielen.

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In „Lil April – Das Chaos kommt selten allein“ fällt die Großfamilie in Berlin ein. Der vierte Band erscheint im Januar 2019 und wird in London spielen

Und was ist das für ein Manuskript? Das ist ein Roman für Erwachsene, den ich seit ein paar Jahren in Arbeit habe und der jetzt halb fertig ist.

Haben Sie eigentlich einen bestimmten Platz an dem Sie schreiben? Ja, an meinem Schreibtisch in meinem Büro. Da kann ich mich am besten konzentrieren. Manchmal mache ich mir im Bett Notizen, da habe ich immer einen Block liegen. Ich habe auch schon in Cafés geschrieben, auf Parkbänken und auf der Terrasse. Aber am schönsten ist immer noch mein Arbeitszimmer.

Wann schreiben Sie? Dadurch, dass bei uns der Tag mit zwei Schulkindern sehr früh losgeht, bin ich ganz früh am Schreibtisch. Wenn die Kinder aus dem Haus gehen lese ich noch Zeitung und kann dann von halb neun bis 16 Ihr schreiben. Bis halb zwei mache ich das auch. Und danach mache ich noch Bürokram und beantworte Emails und so. Ich schreibe immer zwischen vier und fünf Stunden am Vormittag.

Wer darf Ihre Texte als erstes lesen? Unterschiedlich. Neue Textideen meine Agentin, dann besprechen wir, ob etwas in Frage kommt und man es einem Verlag anbieten kann. Bei meinen Texten für Erwachsene außerdem meine beste Freundin. Bei den Geschichten die Magellan bekommt, ist es die Lektorin.

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Was machen Sie genau als Texterin? Ich schreibe für ganz unterschiedliche Unternehmen, zum Beispiel eine Bank, eine Fluggesellschaft und auch eine Brauerei. Die geben Broschüren über ihre Produkte heraus oder auch Mitarbeiterzeitungen. Dafür liefere ich ihnen Texte.

Wenn Sie ein neues Buch anfangen, schreiben Sie dann einfach so drauflos oder planen Sie vorher? Wenn ich eine Idee ausbrüte, dann nehme ich mir zunächst ein DIN A4-Blatt im Querformat und zeichne mir die Figuren auf. Dann schreibe ich zum Beispiel Mirai und Alexandra und schaue, welchen Konflikt könnten sie miteinander haben, wo könnten die leben. Wer gehört sonst noch dazu. Es entsteht eine Art Mindmap. Irgendwann ist das Blatt voll mit Ideen. Schließlich setze ich mich hin und versuche, das Exposé zu schreiben. Das ist eine Inhaltsangabe auf etwa drei Seiten. Die Namen ändern sich später meistens noch, auch der Titel ist nur ein Arbeitstitel.

Hieß Lil von Anfang an Lil? Ja, aber sie hatte einen anderen Nachnamen. Und mein erster Arbeitstitel war „Die Platons“. Die Anfangsbuchstaben von Lil und ihren Geschwistern ergeben zusammengenommen das Wort Platon. Irgendwann habe ich dann aber selbst gedacht: Das ist so lahm! Da fiel mir der Nachname April ein. „Lil April“ – das fand der Verlag auch super.

Haben Sie schon eine Idee für ein neues Buch? Ja, konkret gibt es zwei Ideen für neue Bücher. Das eine ist für ältere Kinder, das andere soll ein Vorlesebuch für Kinder ab fünf Jahren werden.

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Das neueste Buch ist im Juli erschienen und richtet sich an Leserinnen ab 8 Jahren. Neben den Zwillingen Carl und Lina spielen verschiedene Tiere darin eine wichtige Rolle

Wird es noch einen weiteren Band von dem Zwillingsbuch geben? Die „Zwillinge“ war als Einzeltitel geplant, aber wenn es sich sehr gut verkauft, würde sich der Verlag das wahrscheinlich noch mal überlegen.

Warum stehen da eigentlich Zwillinge im Vordergrund und warum gibt es auch bei Lil April Zwillinge in der Familie? Gute Frage… (überlegt länger)

Gab es bei Ihnen in der Familie Zwillinge? Nein, bei uns gab es keine. Aber für mich war ein Zwilling immer so eine Art Wunschtraum. Meine fünf Geschwister waren alle älter als ich und ich habe mir deshalb oft eine Zwillingsschwester gewünscht. Als Kind war ich sehr oft mit meinem eingebildeten Zwilling unterwegs und habe mit ihr Abenteuer erlebt. Es gab damals aber auch eine sehr erfolgreiche Buchreihe, die ich sehr mochte und in der es um Zwillinge ging: „Hanni und Nanni“.

Ja klar, die kenne ich auch! Heute gibt es eine viel größere Auswahl an guten Büchern für Kinder und Jugendliche. Damals war das Angebot sehr viel kleiner. „Hanni und Nanni“ war für mich damals ein Highlight.

Haben Sie als Kind auch schon geschrieben? Ja! Ich habe mit 11 mein erstes Tagebuch geschenkt bekommen und seitdem habe ich immer geschrieben. Jeden Tag.

Sie haben mal bei Instagram geschrieben, dass Sie als Kind Ärger hatten, weil sie soviel gelesen haben. Warum? Was hatten Ihre Eltern dagegen? Meine Eltern fanden das natürlich gut, dass ich lese. Aber ich habe immer viel zu lange gelesen, oft bis nachts, obwohl ich am nächsten Tag in die Schule musste. Deshalb hat meine Mutter mir einmal sogar die Glühbirne am Bett herausgedreht. Aber ich bin dann auf die Toilette gegangen und habe dort einfach weitergelesen. Das hat sie gesehen und mir das Buch abgenommen. Und ich habe mir das nächste geholt… Ich glaube, es war wirklich nicht einfach mit mir (lacht).

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Und was lesen Sie heute gerne? Ich lese gerne Jugendbücher und manchmal auch Kinderbücher. Ich lese außerdem viel Gegenwartsliteratur, sehr gern auch auf Englisch. Leider reicht meine Zeit nicht für alles, was ich lesen möchte.

Suchen Sie auch Inspiration in anderen Büchern? Es gibt zum Beispiel den Autor John Greene, den ich sehr schätze. Es beeindruckt mich sehr, wie er seine Figuren sprechen lässt. Das ist immer sehr authentisch – selbst wenn er als männlicher Autor ein Mädchen sprechen lässt. John Greene ist schon so eine Art Vorbild für mich. Aber ich denke nicht, der oder die hat das geschrieben und so was könnte ich ja auch mal machen, im Gegenteil, als Autorin fühle ich mich ganz bewusst immer dem eigenen Erzählton verpflichtet.

In einem Radiointerview haben Sie mal gesagt, es kommt Ihnen so vor, als ob sie die Abenteuer ihrer Figuren selbst miterleben, als ob sie die wirklich kennen. Wie muss man sich das vorstellen? Wenn ich richtig in die Geschichte einsteige, dann bin ich wie in einem Tunnel. In den Stunden in denen ich schreibe, bin ich einfach in dieser fremden Welt. Danach gehe ich in mein eigenes Leben zurück, habe die Figuren aber immer noch bei mir. Das ist wie wenn man aus dem Kino kommt und noch ganz gefangen ist von dem Film. Ich bin das dann auch, manchmal auch über einen längeren Zeitraum. Und wenn ich dann zum Beispiel beim Essen völlig abwesend bin, sage ich zu meiner Familie: „Ich bin jetzt ein bisschen im Tunnel, macht Euch nichts draus.“

Ich finde, das war ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Interview!

Hier findet Ihr meine Rezensionen von Stephanie Gessners Büchern Lil April – Das Chaos kommt selten allein und Ein Zwilling macht noch keine Schwester

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