„Die Geschichtenerzählerin war schon immer in mir drin“

Ganz schön vielseitig: In ihrer Trilogie „Julie Jeweils“ verzaubert Marion Meister Leser*innen ab 12 Jahren mit magischem Schmuck. Die Jugendbücher, die sie unter dem Pseudonym June Perry veröffentlicht („White Maze“ und „Life Hack“) sind dagegen spannende Thriller über Technologien der nahen Zukunft. Für „White Maze“ erhielt Marion im April 2019 den Hansjörg-Martin-Preis für den besten Kinder- oder Jugendkrimi des Jahres.

Ich habe mich sehr gefreut, dass ich Marion zu einem Interview treffen durfte, denn ich liebe ihre „Julie Jewels“-Reihe. Außerdem ist Marion mega nett. Wir sprachen über Magie und darüber, was ihr Schmuck bedeutet. Außerdem verriet Marion mir, wie es ihr ergeht, wenn sie sehr spannende Sachen schreibt – und wie sie mit ihrem Mann Derek (ebenfalls Schriftsteller) zusammenarbeitet.

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Marion Meister wurde 1974 im bayerischen Wolfratshausen geboren und begeisterte sich früh fürs Zeichnen. Nach dem Abitur studierte sie Animationsfilm an der Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg. Nach dem Studium begann sie mit dem Schreiben. Marion lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in einem Dorf in der Nähe von Hannover.

Hallo Marion, Du hast schon rund 20 Bücher veröffentlicht. Dein erstes Buch war „Drachenhof Feuerfels“ – es ist 2007 erschienen. Wie kam es damals dazu? Ich studierte Film – Animationsfilm um genau zu sein – an der Filmhochschule in Potsdam. Dort lernte ich dann meinen Mann Derek kennen, der Dramaturgie studierte, also Drehbuchschreiben. Er fing bald darauf an, Bücher für Erwachsene zu schreiben. Irgendwann hatte er die Idee zu „Drachenhof Feuerfels“ und überredete mich, das Buch mit ihm zusammenzuschreiben. Das habe ich gemacht und gemerkt, dass es gar keine schlechte Idee ist, den Pinsel gegen Buchstaben zu tauschen. Mit Worten kann man schließlich auch ganz toll Geschichten erzählen – sogar ein bisschen schneller. Und dann ist das Schreiben immer mehr geworden und inzwischen liegt der Pinsel etwas unbeachtet an der Seite… (lacht)

Warum hast Du damals überhaupt Film studiert? Ich habe immer viel gezeichnet. Mein Vater war Kunsterzieher, darum bin ich quasi mit dem Zeichenstift geboren worden, und so war für mich gleich klar: Ich möchte später mal Geschichten mit dem Zeichenstift erzählen. Mein Plan war es, Zeichentrickfilme zu machen.

Eine Deiner Reihen heißt „Julie Jewels“ und ist bei KJB Fscher erschienen. Wie bist Du auf die Idee dazu gekommen? Ich habe als Teenager immer gehofft, dass es Magie wirklich gibt. Wenn wir in der Schule Klassenarbeiten geschrieben haben, dann hatte ich immer einen magischen Ring dabei und habe mir gesagt: Wenn ich den trage, dann wird das eine Eins oder Zwei. Das hat leider nicht immer so richtig geklappt (lacht). Später habe ich mich daran wieder erinnert und gedacht, dass es doch toll wäre, wenn das jemand wirklich können würde. Also Wünsche in selbstproduzierten Schmuck hinein zu projizieren. Und so ist die Idee zu „Julie Jewels“ entstanden.

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Trägst Du selbst gerne Schmuck? Inzwischen nur noch wenig. Ich habe zwei Söhne und als der erste geboren war, da habe ich angefangen, den Schmuck abzulegen. Denn wenn man so ein Baby im Arm hat, dann fühlt sich das blöd an. Oder das Baby fängt an, daran herumzuzerren. Darum habe ich damals damit aufgehört. Aber ich fange seit einiger Zeit wieder damit an.

Hast du ein Lieblingsstück? Ja! Ich habe so ähnliche Ohrringe wie auch Julie im ersten Band. Die sind weiß und haben einen Diamantschliff, der sie wie ein Regenbogen funkeln lässt. Die lege ich immer an, wenn ich das Gefühl habe, dass ich stark sein muss. Und dann habe ich welche, da sind Kompasse draufgedruckt. Die ziehe ich beim Wandern an. Damit ich mich nicht verlaufe… Das passt ja…Genau (lacht laut)

Woher hast du die Ohrringe? In letzter Zeit habe ich die meisten Stücke gekauft, aber früher habe ich viel selbst gemacht, mit Draht und Perlen…

Oh ja, ich habe zu meinem letzten Geburtstag auch so ein Set geschenkt bekommen. Aber ich habe es noch nicht ausprobiert. Das geht. Es ist auch gar nicht so schwer.

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Ist der dritte Band von Julie Jewels eigentlich auch der letzte Band? Ja, die Geschichte ist abgeschlossen. Und ich hoffe, es ist jetzt alles richtig für Julie…

Die Bücher sehen mega aus, sie sind als Schmuckkästchen gestaltet. War das Deine Idee? Leider nicht. Aber ich finde, der Verlag hat das super hinbekommen. Als ich das Cover von Band eins das erste mal gesehen habe, war ich echt hin und weg.

Hast Du schon eine Idee für ein neues Projekt, das vielleicht für eine ähnliche Altersgruppe gedacht ist? Ja, tatsächlich. Es liegen aktuell zwei Konzepte bei zwei Verlagen und ich hoffe, dass bald eine Entscheidung fällt.

Kannst Du schon verraten, worum es geht? Nein, leider noch nicht.

Uuii, ich bin gespannt… Also es wird auf jeden Fall wieder spannend und romantisch…

Geht es auch wieder um Schmuck? Nein, aber um Magie…

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Du wohnst in Norddeutschland und da spielt auch „Julie Jewels“. Gibt es weitere Parallelen zwischen ihrem und deinem Leben? Natürlich der Wunsch nach Magie und Schmuck. Und ansonsten das Strandsammeln, also Strandschätze finden. Das liebe ich auch sehr.

Das kann ich gut verstehen. Ich habe gelesen, dass Du früher in Berlin gewohnt hast, dann aber nach Niedersachsen gezogen bist. Vermisst Du Berlin manchmal noch und warum bist Du überhaupt weg gezogen? Also manchmal vermisse ich es wirklich, vor allem die Cafés. Ich wohne jetzt in einem kleinen Dorf auf dem Land und da gibt es auch Gaststätten, aber die machen erst abends auf und ich kann da keinen Milchkaffee trinken gehen (lacht). Aber weggezogen sind wir, weil wir eine Familie gründen wollten. Mein Mann und ich kommen beide aus kleinen Dörfern, darum wollten wir auch wieder in ein Dörfchen zurück und nicht mehr diesen ganzen Rummel. Es ist ja sehr hektisch und laut in Berlin…

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Das stimmt. Ganz anderes Thema: Du schreibst unter, ich glaube, drei verschiedenen Namen. Kommst Du da manchmal selbst durcheinander? Oh ja! (Lacht), durchaus. Aber zum Glück sind die Themen ja relativ getrennt. June Perry schreibt für ältere Jugendliche, und zwar Thriller, die in der nahen Zukunft spielen und mit Technologie zu tun haben. Dann gibt es noch Mareike Marlow, die schreibt Krimis für Erwachsene. Da wird es beim Unterschreiben allerdings manchmal schwierig, denn der Name ist doch ziemlich ähnlich. Einmal habe ich bei einer Signierstunde tatsächlich Marion Meister in das Mareike Marlow-Buch geschrieben (lacht). Das war doof (lacht noch mehr).

Und wieso benutzt Du verschiedene Pseudonyme? Zum einen wünschen sich das die Verlage, weil sie die Autoren immer gerne für sich alleine haben möchten. Zum anderen schreibe ich ja völlig verschiedene Sachen. Und so hilft es auch den Lesern. Wäre ja blöd, wenn die losgehen und ein Buch für Zwölfjährige kaufen wollen und stattdessen ungewollt mit einem Krimi für Erwachsene nach Hause gehen.

Du schreibst für verschiedene Genres und verschiedene Altersgruppen. Was liest Du selbst am liebsten? Am liebsten lese ich Jugendbücher. Wenn ein Buch von Fantasy und Magie handelt, dann ist es meins…

Welches von Deinen eigenen Büchern ist Dein liebstes Buch? Ich weiß, dass viele Autoren immer sagen, das Buch, an dem sie gerade schreiben, weil man da immer gerade mitten drin steckt. Aber das wichtigste für mich ist tatsächlich „Drachenhof Feuerfels“, weil damit alles angefangen hat und da ganz viel von mir und meiner eigenen Kindheit drinsteckt. Da verbinde ich sehr viel mit.

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Die „Drachenhof Feuerfels“-Reihe

 

Und was ist generell Dein Lieblingsbuch? Oh, das ist ganz schwer zu beantworten. Es gibt ganz ganz viele Bücher, die ich toll finde und ich habe auch echt viele Lieblingsautoren. Andererseits liebe ich es, neues zu entdecken. Deswegen finde ich auch Deinen Blog so toll…!

Oh, das ist ja nett. Dankeschön! In der Julie Jewels-Reihe geht es sehr viel um Zauberei. Glaubst Du eigentlich an Magie? Naja, ich hoffe zumindest, dass es sie gibt (lacht). Leider habe ich noch keine Beweise dafür gefunden. Aber ich habe mir immer gewünscht, magischen Schmuck zu besitzen oder dass ich blinzeln kann und dann ist das Zimmer aufgeräumt. Das wäre toll. Ich bin noch auf der Suche… (lacht).

Man weiß ja nie… Ja, genau. Und Magie gibt es auf jeden Fall in Büchern. In denen kann man gut reisen, auch in fremde Welten. Und das liebe ich sehr!

Ich auch! Julie und ihre beste Freundin Merle führen beide ein Bullet Journal. Hast Du selbst auch eines? Nein, ein richtiges Bullet Journal habe ich nicht, aber ich habe früher viel Tagebuch geschrieben. Inzwischen zeichne ich immer am 12. jeden Monats meinen Tag und diese Zeichnungen sind für mich ein richtiges Tagebuch geworden, das ich oft durchblättere. Die „12von12“ stelle ich auch auf meiner Homepage ein. Wenn ich auf Reisen bin, dann zeichne ich jeden Tag. Das macht mir richtig viel Spaß und es löst später lustigerweise auch noch mehr Erinnerungen aus.

Ich habe noch ein anderes Buch von Dir im Regal stehen und zwar „White Maze“. Das hast Du unter dem Pseudonym June Perry beim Arena-Verlag veröffentlicht. Worum geht es darin? Im Mittelpunkt der Geschichte steht Vivian. Sie ist 16 und lebt in einer sehr schönen Welt, denn ihre Mutter ist die erfolgreichste und bekannteste Entwicklerin von Videospielen. Die werden in der augmented reality gespielt, also der erweiterten Realität, so wie Pokémon Go. Eines Tages wird die Mutter tot aufgefunden. Wahrscheinlich ist sie umgebracht worden und Vivian muss herausfinden, warum und von wem – und was das vielleicht mit der neuesten Entwicklung der Mutter, dem Spiel „White Maze“, zu tun hat.

Was hat Dich an dem Thema fasziniert? Das war vor allem die Frage, was noch real ist, wenn man sich in einer erweiterten Realität bewegt. Alles was man dort sieht ist computergeneriert, das heißt, das hat jemand geschrieben, also programmiert. Und diese Person kann mich dann auch manipulieren, weil alles, was ich rieche, fühle, schmecke, von ihr vorgegeben ist. Die Frage ist, wo bin dann noch ich und wo sind meine eigenen Entscheidungen? In der Philosophie heißt es ja, was um mich herum ist, beeinflusst mich, mein Handeln und mein Wesen. Das fand ich spannend. Ich würde daher sagen, es ist ein philosophischer Technologie-Thriller (lacht).

Wie bist Du auf die Idee zu „White Maze“ gekommen? Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Obwohl ich mich nicht wirklich viel mit Technik beschäftige, schmökere ich ab und zu gerne in Zeitschriften, die sich damit befassen, was alles so erfunden wird. Und da kam bei mir plötzlich diese Frage auf, wie das denn mit der augmented reality eigentlich so ist.

Und wie hast Du dazu recherchiert? Erstmal viel im Netz. Außerdem hat mir geholfen, dass ich früher selbst viel gespielt habe. Ich war ein großer Lara Croft-Fan und habe viele Abenteuer- und Rollenspiele gespielt. Ich finde, das merkt man auch.

Spielst Du jetzt auch noch solche Spiele? Ich würde es gerne, aber mir fehlt die Zeit. Mein Mann hat tatsächlich vor einiger Zeit eine neue PlayStation gekauft, wir wollten wieder schöne Abenteuerspiele spielen, aber wir kommen nicht dazu. Jetzt benutzen meine Söhne sie.

Hast Du beim Schreiben von so spannenden Geschichten eigentlich auch manchmal Angst? Also bei „White Maze“ gab es Szenen, die mir so nahe gegangen sind, dass ich danach erst mal zwei Tage Schreibpause machen musste…

Das kann ich gut verstehen. Ich glaube, das würde mir auch so gehen. Das Buch spielt in der nahen Zukunft. Wie realistisch ist das Spiel „White Maze“ aus Deiner Sicht? Ich glaube, wir sind nicht mehr weit davon entfernt. Es wird sich alles ziemlich schnell weiterentwickeln. Es gibt in Amerika zum Beispiel jemanden, der hat ein Haus aufgebaut, da kann man reingehen und ein virtuelles Spiel spielen. Dabei trägt man eine spezielle Weste, die eine alles mögliche spüren lässt: Wärme, Kälte, Erschütterungen. Da man auch so Handschuhe trägt spürt man auch Wände, die nicht da sind. Vieles ist technisch bereits möglich und die Rechner werden ja auch immer kleiner. Ich würde sagen: wir sind kurz davor.

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Marions neuestes Buch „Life Hack – Dein Leben gehört mir“ erscheint am 23. September 2019 beim Arena Verlag unter dem Pseudonym June Perry (Foto: Arena)

Kannst Du Dir vorstellen, dass „Julie Jewels“ oder „White Maze“ verfilmt werden könnten und Du selbst die Drehbücher verfasst? Ja, durch meinen Mann, der Drehbuchautor ist, hätten wir das Know-how. Bei „White Maze“ könnte ich mir das sehr gut vorstellen. Ich finde, das wäre die perfekte Netflix-Serie… Das könnte passen. Gibt es denn schon Pläne in diese Richtung? Leider noch nicht.

Du hast eben erzählt, dass Du zwei Söhne hast. Wie alt sind sie? Der kleine ist sieben, der große zehn Jahre alt. Mein Mann und ich haben zusammen beim Coppenrath-Verlag mal die Reihe „Sternschiff Argon“ herausgebracht. Und da haben die Jungs schon mitgeschrieben.

Echt? Ja, in Anführungszeichen. Sie durften ein paar Namen erfinden und sagen, was passieren soll. Der eine ist ein guter Geschichtenerzähler, der andere ein guter Erfinder. Von daher helfen sie schon mit (lacht).

Wie bist Du selbst zum Schreiben gekommen? Ich glaube, die Geschichtenerzählerin war schon immer in mir drin. Zuerst durch den Zeichenstift, damit habe ich Comics gemacht und auch in der Illustration habe ich immer versucht, noch kleine Details einzubauen, die neben der Hauptgeschichte noch eine zweite erzählen. Die Initialzündung war dann aber wirklich mein Mann, der gesagt hat, nun nimm doch mal die Tastatur und mach mit. Das war 2004.

Hast Du als Kind auch schon geschrieben? Ja, die Abenteuer von meinem Hund. Das ist ein kleines dickes Büchlein geworden – mit vielen Zeichnungen (lacht) …

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Marions Mann Derek ist auch Schriftsteller. (Foto: Marion  Meister)

Wann arbeitest Du am liebsten? Hast Du eine feste Zeit? Meine primäre Arbeitszeit ist am Vormittag, wenn die Jungs in der Schule sind. Den Nachmittag teilen Derek und ich uns immer ein bisschen auf. Dann kümmert sich einer von uns um die Kinder.

Unterstützt Ihr Euch bei Eurer Arbeit gegenseitig? Und schreibt Ihr zusammen in einem Raum? Nein, in einem Raum halten wir es nicht aus, denn ich brauch Stille und Derek arbeitet immer mit lauter Musik (lacht). Aber wir entwickeln die Geschichten zusammen. Wir haben in Dereks Zimmer eine große Pinnwand und vor der sitzen wir dann und plotten. Das heißt, wir hängen Karteikarten daran und schieben die hin- und her und überlegen: Wie wird es spannender? Wie machen wir es genau? Und da helfe ich bei ihm mit und er bei mir.

Lest Ihr Euch auch gegenseitig Eure Manuskripte vor? Nein, das machen wir nicht. Aber wir geben sie einander zu lesen und lektorieren sie gegenseitig. Ich glaube, die Verlage merken das auch, dass da schon ein erstes Lektorat drüber ist bevor die eigentliche Lektorin es in die Hand bekommt.

Plant Ihr eigentlich auch, mal wieder etwas zusammen zu schreiben?Also wenn es sich anbietet, dann schon. Wir ergänzen uns gut, Derek hat immer so verrückte Einfälle…

Letzte Frage: Hast Du einen speziellen Platz, an dem Du schreibst? Ja, am liebsten schreibe ich auf meinem Sofa. Das ist inzwischen leider schon 20 Jahre alt. Ich brauche bald ein neues – und hoffe, dass das Schreiben darauf dann genauso gut geht (lacht). Bestimmt! Vielen Dank für das Gespräch!

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Ich habe Marion Meister auf der Leipziger Buchmesse am Stand des Arena Verlags getroffen.

Meine Rezensionen der drei „Julie-Jewels“-Bände findet Ihr hier:

Julie Jewels – Perlenschein & Wahrheitszauber

Julie Jewels – Silberglanz & Liebesbann

Julie Jewels: Mondsteinlicht & Glücksmagie

Mehr Infos zu Marion und ihrer Arbeit findet Ihr auf https://marionmeister.info