„Ideen muss man festhalten“

Als mich die Pressesprecherin vom ARENA-Verlag auf der Leipziger Buchmesse fragte, ob ich mir ein Interview mit Andreas Eschbach vorstellen könnte, war ich erst mal total baff. Eschbach ist aktuell einer der erfolgreichsten deutschen Autoren im Erwachsenenbereich und natürlich hatte ich seinen Namen schon gehört. Zuletzt hatte er bei Bastei Lübbe „NSA – Nationales Sicherheits-Amt“ veröffentlicht, über das schon viel gesprochen und geschrieben wurde und wird. Viele seiner Bücher haben schon Preise gewonnen. Ich wusste jedoch nicht, dass Eschbach auch schon eine Reihe von Jugendbüchern veröffentlicht hat; darunter die „AQUAmarin“-Trilogie, in deren Mittelpunkt ein Meermädchen steht. Aber – kann man einen Autor interviewen, von dem man noch nie etwas gelesen hat? Andererseits lebt er in Frankreich und ist nur selten in Deutschland. Also sagte ich nach kurzem Überlegen zu. Das Gespräch war dann sehr nett und informativ. Die „AQUAmarin“-Bücher habe ich inzwischen gelesen – sie sind echt gut! –, den Link zu meiner Rezension vom neuen dritten Teil („ULTRAmarin“) findet Ihr unten.

Eschbach_Porträt

Andreas Eschbach wurde 1959 in Ulm geboren und studierte Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart. Später arbeitete er als Softwareentwickler und Unternehmer. Seit 1995 hat Eschbach insgesamt 16 Romane für Erwachsene veröffentlicht sowie 13 Jugendbücher. Der Autor hat sich auf Thriller und Science-Fiction spezialisiert und lebt seit 2003 mit seiner Frau in der Bretagne.

Hallo Herr Eschbach, Sie haben schon viele Thriller geschrieben. Was fasziniert Sie daran? Ich schreibe gerne Thriller, weil ich die auch selbst gerne lese. Also Bücher, die so spannend sind, dass man sie nicht aus der Hand legen kann, dass man sie mit aufs Klo nimmt oder abends länger aufbleibt, weil man noch weiterlesen muss. Solche Bücher lese ich selber gerne und die schreibe ich deswegen auch gerne.

Sie haben bisher schon Bücher für Erwachsene und für Jugendliche geschrieben. Unterscheidet sich das Schreiben? Nicht sehr. Der Aufwand ist bei beiden etwa gleich hoch. Aber wenn ich für Jugendliche schreibe, dann versuche ich wissenschaftlich genauer zu sein. Bei Erwachsenenbüchern baue ich manchmal auch Elemente ein, bei denen ich davon ausgehe, dass der kundige oder gebildete Leser weiß, dass das so nicht stimmt und ich das aus bestimmten Gründen mache. Bei Büchern für Jugendliche bleibt man doch mehr am Schulstoff. Ja, und die Gewalt sollte natürlich nicht so ausarten…

Wenn Sie eine Idee haben, wissen Sie dann auch schon von Anfang an, ob das ein Buch für Jugendliche oder für Erwachsene werden soll? Ja, das weiß ich meistens.

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Sie haben, glaube ich, Luft- und Raumfahrttechnik studiert…So ist es, ja. Und wie sind Sie dann zum Schreiben gekommen? Es war eigentlich umgekehrt. Ich habe zuerst geschrieben. Als ich so ungefähr in Deinem Alter war, da habe ich damit angefangen und habe dann so viel geschrieben, dass sich meine Familie Sorgen gemacht hat. Die haben mir alle gesagt: Du weißt schon, vom Schreiben kann man nicht leben. Du musst etwas ordentliches lernen…! Und dann habe ich gedacht, Luft- und Raumfahrttechnik, das klingt so ähnlich wie Science Fiction. Da baut man Raumschiffe und so, das könnte interessant sein. Aber ich habe das Studium nicht abgeschlossen. Nach 12 Jahren, also 24 Semestern, habe ich abgebrochen. Und jetzt schreiben Sie und Sie können ja auch gut davon leben. Ja.

Eine Ihrer Reihen ist die „Aquamarin“-Trilogie. Worum geht es darin? Darin geht es um Saha, ein Mädchen, das eines Tages entdeckt, dass es unter Wasser atmen kann. Saha wird in der Schule gemobbt und eines Tages schmeißt die Oberbitch sie ins Wasser. Man hatte Saha immer gesagt, dass sie nicht ins Wasser gehen darf, weil sie Verletzungen am Brustkorb hat, die nicht heilen wollen. Doch sie stellt fest, dass sie nicht ertrinkt und sogar unter Wasser atmen kann. Und dann geht es darum, herauszufinden, warum das so ist. Das Ganze spielt in der Zukunft, in etwa 130 Jahren. Da gibt es schon die Möglichkeit genetischer Manipulationen, die sind aber verboten, und Saha hat Angst, dass ihre Eltern, die sie nicht kennt, sie manipuliert haben und sie nun Schwierigkeiten bekommt. Aber es stellt sich heraus, sie ist… (lächelt). Nein, das verraten wir nicht, was sich dann herausstellt… (lacht).

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Ich habe gelesen, dass Sie in der Bretagne leben. Hat Sie das Meer zu der Reihe inspiriert? Das weiß ich gar nicht so genau. Vielleicht ist das so, wenn man ein paar Jahre lang immer aufs Meer guckt, dass man dann plötzlich so eine Idee hat…

Sind Sie denn gerne am Meer? Sind Sie ein Meeresmensch? Ja, ich bin gerne am Ufer und schaue mir das Meer an, aber ich bin nicht gerne auf Schiffen, weil ich leicht seekrank werde (lacht).

Und schwimmen Sie auch gerne?  Ja, aber nicht bei uns im Meer. Das ist mir viel zu kalt.

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In Ihren Büchern geht es oft um die Zukunft der Menschheit. Was ist aus Ihrer Sicht das dringendste Problem? Oh, da gibt es viele. Möglicherweise ist die Klimaveränderung das größte Problem, vielleicht aber auch die Energiefrage. Beides hängt ja eng miteinander zusammen. Der Punkt ist, dass wir so schrecklich viele auf der Erde sind. Viele Probleme hätten wir nicht, wenn wir bloß eine halbe Milliarde Menschen wären oder eine Milliarde. Aber acht? Und es werden noch mehr werden, es werden 10 Milliarden werden oder 12. Und alles was man macht, muss man mal 12 Milliarden nehmen. Denn den Leuten, die jetzt noch keinen Kühlschrank und keine Waschmaschine haben, denen kann man das ja nicht verwehren, wenn die das haben wollen. Und das ist mit Rohstoffverbrauch, mit Energieverbrauch und wirtschaftlichen Kreisläufen verbunden und so fort. Das ist schon eine starke Belastung für die Erde.

Und diese Stämme, die einfach so mit der Natur leben, die werden ja auch immer weniger… Ja, die gibt es quasi nicht mehr. Es gibt nur noch ganz wenige Menschen, die heute noch ohne Kontakt zur Zivilisation sind. Wenn man heute in einen Urwald geht und auf solche Leute trifft, dann haben die wahrscheinlich auch schon ein Handy und tragen ein T-Shirt, weil es da schon Verbindungen gibt. Dieses Leben in der Natur, das gibt es heute kaum noch.

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Zurück zur Aquamarin-Trilogie. Wie sind Sie damals auf die Idee gekommen? Das war eine relativ alte Idee. Ich weiß gar nicht, wo die her kam. Das stand mir einfach so vor Augen, also komplett mit den Namen… Saha, ich wusste, die Protagonistin muss so heißen. Und ich wusste, sie muss in Nordaustralien leben. Das hat sich dann später als eine gute Idee herausgestellt, weil das Schelf, also die Gegend, wo der Ozean relativ niedrig ist, dort sehr ausgedehnt ist. Nein, ich weiß nicht immer, wo meine Ideen herkommen. Die sind einfach eines Tages da…

Was meinen Sie genau? Naja, die kommen einfach. Das ist auch bei Leuten so, die keine Bücher schreiben, die Ideen haben für eine Konstruktion oder ein Kochrezept oder was auch immer – diese Ideen tauchen einfach auf. Der springende Punkt ist, dass man sie festhalten muss. Deswegen habe ich immer ein Notizbuch dabei (zeigt ein kleines Buch) und wenn mir eine Idee kommt, dann schreibe ich sie gleich auf.

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Und schreiben Sie einfach drauf los, wenn Sie mit einem neuen Buch beginnen, oder plotten Sie viel?Ich plotte viel, ja. Das heißt, ich überlege mir erst alles ganz genau und mache mir einen präzisen Plan. Und dann fange ich an zu schreiben. Und dann merke ich, nee, so kann ich das gar nicht machen und dann muss ich den Plan wieder ändern. Und dann schreibe ich weiter und dann muss ich ihn wieder ändern. Und am Schluss kommt dann was ziemlich anderes heraus als geplant (lacht).

Wie kamen Sie damals eigentlich genau zum Schreiben? Ich war etwa elfeinhalb, zwölf Jahre alt und habe damals diese Perry Rhodan-Hefte gelesen. Die haben mich fasziniert. Und dann habe ich gedacht: So was mache ich auch mal. Also habe ich die Schreibmaschine von meinem Vater genommen und Papier gefaltet und angefangen zu schreiben. Damals gab es ja noch keine Computer und so was. Ja und dann habe ich eine Geschichte geschrieben. Ich habe die dann auch gebunden und ein Cover drum herum gemacht. Man könnte sagen, ich habe quasi als Selbstpublisher mit Fanfiction angefangen (lacht). Und es hat einfach Spaß gemacht.

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Eine coole Geschichte. Was lesen Sie heute gerne – außer Thrillern? Ich lese gerne Science Fiction-Bücher, aber auch Romane, in denen es um Beziehungsprobleme geht und so etwas. Alles mögliche. Das Buch muss mich fesseln, dann lese ich es. Ich schreibe, was ich selbst gerne lese, aber ich lese auch Bücher, die ganz anders sind und die ich selbst gar nicht schreiben könnte.

Lesen Sie auch Jugendbücher? Ja.

Haben Sie auch schon mal darüber nachgedacht, ein Kinderbuch zu schreiben? Nee, Kinderbücher sind nicht mein Fach. Das schreibt meine Frau. Sie hat beim Arena-Verlag zum Beispiel die Reihe „Lisa und die Brombeerprinzessin“ veröffentlicht.

Oh, Ihre Frau schreibt auch? Tauschen Sie sich über Ihre Bücher aus? Ja, auf jeden Fall. Ich lese ihre Bücher, sie liest meine und wir diskutieren sehr viel übers Schreiben.

 

Wie arbeiten Sie am liebsten? In meinem Arbeitszimmer, an meinem Schreibtisch, mit Blick auf den Atlantik. Ohne Störungen. So arbeite ich am liebsten.

Und was machen Sie, wenn Ihnen nichts mehr einfällt? Das kommt hin- und wieder tatsächlich vor, aber selten. Meistens ist es nicht so, dass mir nichts mehr einfällt, sondern, dass ich mich in eine Ecke reingeschrieben habe und mich frage: Wie mache ich jetzt weiter? Jemand ist meinetwegen gefangen und ich frage mich, wie kriege ich den da wieder raus? Ich brauche eine Idee. Und dann gehe ich meistens spazieren. Ich finde, Spazierengehen ist überhaupt eine tolle Methode, um auf Ideen zu kommen. So eine Stunde am Meer entlang, da klärt sich vieles.

Und das können Sie bei sich in der Bretagne ja gut machen. Warum leben Sie eigentlich in Frankreich? Dafür gibt es keinen speziellen Grund. Es gefällt meiner Frau und mir da einfach sehr gut.

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Eschbachs neueste Bücher: „NSA“ und „ULTRAmarin“

Schreiben Sie auch Bücher auf Französisch? Nee, das kann ich nicht. Ich bin froh, dass ich die Briefe an das Finanzamt hinkriege… (lacht).

Gibt es etwas, das Sie an Deutschland vermissen? Ja – die Bücher und die Buchhandlungen. Also dass ich dort nicht in Buchhandlungen mit deutschsprachigen Büchern gehen kann, das vermisse ich schon.

Das kann ich sehr gut verstehen. Vielen Dank für das Interview!

Meine Rezension von „ULTRAmarin“ findet Ihr hier und Mathis‘ Rezension von „Black*Out“ steht hier.

Mehr Infos über den Autor unter: www.andreaseschbach.com

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