Als ich Daniel Beckmann kennenlernte – im Sommer 2018 – war Lass mal lesen! erst wenige Monate alt. Wir hatten uns bei Insta schon öfter hin- und hergeschrieben, als Daniel mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, sein erstes Buch testzulesen. Das konnte ich – und fühlte mich geschmeichelt (ein Autor fragt mich!). Ich fand die Aufgabe mega spannend und irgendwie auch lustig, schließlich ist Daniel im Hauptberuf Deutschlehrer … und ganz schön anstrengend. „Family Quest“ wird mir jedenfalls immer in Erinnerung bleiben, denn es war das erste Buch, das ich Testlesen durfte. Im März 2020 ist sein Buchbaby dann erschienen. Nun hat er im Rekordtempo nachgelegt und „Doggerland“ veröffentlicht. Im Interview (leider nur per Email geführt), verrät er mir und Euch, wie er alles unter einen Hut bekommt, was er für den Klimaschutz unternimmt und wieso Unterrichten und Bücher schreiben für ihn gar nicht soooooo unterschiedliche Sachen sind.
Daniel Bleckmann wurde 1977 in Dinslaken geboren. Er jobbte sich durch die Medienlandschaft, bis er beschloss, bodenständig zu werden und ein Lehramtsstudium begann. Später zog er an den Niederrhein, gründete eine Familie und heuerte als Deutsch- und Biolehrer an einem Gymnasium an. Im März 2020 erschien beim Ueberreuther Verlag sein Kinderbuch „Family Quest“, im September 2020 folgte „Doggerland“. // Foto: Marcel Nigbur
Hey Daniel, heute ist Dein neues Buch „Doggerland“ erschienen. Herzlichen Glückwunsch! Wie fühlt sich das für Dich an? Es ist immer eine emotionale Achterbahnfahrt, wenn ein Buch erscheint. Ich freue mich total, dass diese Reise nun am Ziel ist, bin aber auch sehr hibbelig, wie die Story bei den Leser*innen ankommen wird. Eine Geschichte zu erzählen bedeutet ja auch immer, von sich selbst zu erzählen. Man macht sich also schon ein bisschen nackig. Auch dieses Mal steckt viel von mir in jeder einzelner Figur.
Wie bist Du auf die Idee zu „Doggerland“ gekommen? Während der Arbeit an „Family Quest“ erwähnte meine Lektorin am Telefon in einem Nebensatz, ob ich schon mal was von Doggerland gehört habe. Hatte ich nicht, aber zu dem Zeitpunkt gab es aktuelle Presseberichte über neue Fundstücke in der Nordsee. Also habe ich schnell gegoogelt (also mittels des Baumpflanz-Browsers Ecosia) und nach dem ersten BBC-Video wusste ich sofort: Das wird mein nächstes Buch!
Wie hast Du dazu recherchiert? Zunächst ganz viel online und dabei habe ich auch viele englischsprachige Studien über den aktuellen Forschungsstand und Untersuchungsmethoden von Doggerland gelesen. Wusstest du, dass die Forscher mit einem Boot über die Nordsee fahren, dabei eine Art Sonarsignal aussenden und so die Schichten unterhalb (!) des Meeresgrundes scannen können?
Nein. Klingt aber spannend! Ja, oder? Und dabei wurden erst vor ein paar Jahren ganze Flusstäler und Bergketten gefunden, die heute unter dem liegen, was wir nun Watt nennen. Und während ich Doggerland schrieb, gab es eine neue Expedition, ein neues Forschungsprojekt, das ich dann auch im Buch erwähnt habe
Wie viel von dem, was da steht, beruht auf wahren Tatsachen und was ist ausgedacht? Dazu habe ich hinten im Anhang des Buches ja auch was geschrieben. Doggerland und seine Bewohner gab es wirklich. Der Untergang in der Mittelsteinzeit hat durch den Tsunami tatsächlich stattgefunden (und dem eh schon sinkenden Land den Rest gegeben). Bei der Fauna habe ich mir ein paar Freiheiten genommen (die sich letztendlich aber biologisch erklären lassen). Und natürlich sind die Stämme der Wasserläufer und Knochentrinker fiktiv. Übrigens, Leya gibt’s wirklich. Also nicht dem Namen nach, aber ich habe in den Niederlanden vor einem Supermarkt ein Mädel getroffen, das da genau das gemacht hat, womit Leyas Geschichte im Buch beginnt.
Ah, okay! Und wie hast Du es geschafft, Dich in das Leben und Denken von Steinzeitmenschen zu versetzen? Das stelle ich mir echt schwierig vor … Man liest, geht ins Museum, befragt eine Archäologin, lernt vom Kumpel das Schießen mit Pfeil und (Holz-) Bogen und schaut Dokus (eine schöne gibt es zum Beispiel in der SWR-Mediathek, und dann setzt man sich ganz lange hin und denkt sich in das Leben vor 8000 Jahren ein. Und dann stößt man auf solche Fragen wie: Gab es da eigentlich schon Begriffe wie „links“ und „rechts“? Wörter für Zahlen? Schule? Zahnbürsten? Geburtstagspartys? Und Heiratsanträge? Und wie sah so ein Speiseplan vor 8000 Jahren aus? Spoiler: Tatsächlich weniger fleischreich, als sich die meisten heute vorstellen.
Wie lange hast Du an dem Buch geschrieben? Der erste Entwurf war schnell fertig, ich glaube, ich habe von Sommer 2019 bis Herbst 2019 gebraucht . Aber danach ging es ans Überarbeiten und Kürzen. Und während der Corona-Hochphase im Frühjahr dieses Jahres wurde das Buch dann fertig. Und das blöde Virus hat es dann sogar auch noch ins Buch geschafft.
Wer ist Dein*e Lieblingsprotagonist*in? Ich habe eine Figur, die ich besonders ins Herz geschlossen habe. Ich will hier aber nicht verraten, wer es ist, weil ich gespannt bin, was die Leser*innen zu ihr sagen werden.
Doggerland wurde durch einen Tsunami zerstört. Auch heute haben wir es mit einem steigendem Meeresspiegel zu tun. Der menschengemachte Klimawandel droht, unsere (und die vieler Tierarten) Lebensgrundlage zu zerstören. Engagierst du dich in der Protestbewegung? Gehst du zum Beispiel zu Fridays for Future? Versuchst du, auf Plastik etc. Zu verzichten? Gehst du diesen Freitag zum großen Klimastreik? Als Biologielehrer versuche ich täglich, Kinder und Jugendliche zu einem nachhaltigeren Umgang mit der Natur anzuleiten und für ökologische Phänomene zu sensibilisieren. Im Unterricht reden wir über Fleischkonsum und Plastikvermeidung, die Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks und was Konsumverzicht eigentlich bedeutet.
Cool. Und privat? Ich versuche, das mit meiner Familie auch privat zu leben. Wir haben unsere Ernährung letztes Jahr umgestellt (besser spät als nie, Bas Cast sei Dank) und leben weitgehend fleischfrei. Bei Zahnbürste, Duschgel und diesen Einmalplastiktüten für Obst und Gemüse habe wir schon brauchbare Alternativen gefunden. Jetzt wollen wir uns ein Elektroauto kaufen. Ob das finanziell allerdings funktioniert, kommt darauf an, wie viele Bücher ich von Doggerland verkaufe … Scherz … 😉
Ich drück die Daumen! Unterstützt Deine Schule eigentlich Schüler*innen, die zum Klimastreik gehen möchten? An meiner Schule ist das leider nicht so. Da werden an den Klimastreiktagen zum Beispiel gerne Arbeiten und Vokabeltests angesetzt … Ich finde die Streiks richtig und wichtig und gut, muss mich als Lehrer aber daran halten, was mein Dienstherr sagt. Und wenn der sagt, dass das während der Unterrichtszeit nicht geht, dann ist das (leider) so. Manchmal bin ich aber auch echt schusselig, was den Eintrag von Fehlzeiten ins Klassenbuch anbelangt. 😛

Neben dem Schreiben arbeitest Du wie gesagt als Lehrer an einem Gymnasium und Du hast auch eine Familie. Wie bekommst Du das alles zeitlich unter einen Hut? Planung und Disziplin, aber auch Abkehr vom Perfektionsgedanken, und die 24h des Tages voll ausnutzen. So zumindest die Theorie. Wenn ich schreibe, dann stehe ich morgens um 5 Uhr auf und erledige das noch vor der Schule. Der Nachmittag gehört dann meinen Kindern (und den Klausuren der fremden Kinder). Abends ist meine Frau dran. Und wenn die ins Bett geht oder ihre Yoga-Stunden gibt, dann schreibe ich wieder. Was auf der Strecke bleibt, ist dann meist das eigene Lesen, Serien schauen oder auf der Playsi zocken. Und wie schon gesagt, funktioniert diese Planung nur in Ausnahmefällen. Allein bei diesem Interview sind meine Kinder jetzt schon 3 x reingekommen. 😉
Hast Du einen Lieblingsplatz zum Schreiben? Definitiv mein Schreibtisch. Da fühle ich mich am wohlsten. Rundherum hängen viele Fotos von Orten, Schauspielern, die ich mir als Vorlage für meine Figuren ausgewählt habe, ganz viel Nerdkram (Star Wars Püppchen, eine Gebetsfahne aus Tibet usw). Ich habe mir aber angewöhnt, überall zu schreiben.
Plottest Du viel oder schreibst Du eher drauf los? Ich plotte alles. Mehr oder weniger sauber. Hinter meinem Schreibtisch hängt eine riesige Korkwand, auf der ich den Plot zunächst per Hand in der 3-Akt-Struktur mittels Karteikarten ausarbeite. Das System wechselt immer leicht, aber die Heldenreise, das Step-System von Blake Snyder oder das 3-9-27-System werden irgendwie immer verwendet. Erst danach geht’s an den Computer, wo ich den Plot nochmal in ein Plotting-Tool reinhacke.
Und wie finden es Deine Schüler*innen, dass Du Bücher schreibst? Die meisten finden’s toll, mal einen noch lebenden Autor zu kennen und wollen auf dem Schulhof ein Autogramm oder eine Signatur ins Buch. Was mich besonders freut, ist, dass dann auch Schüler*innen meine Bücher lesen, die schon außerhalb der Zielgruppe sind oder auch solche, die schon vor vielen Jahren bei mir Abi gemacht haben.
Haben sie Dein erstes Buch gelesen? Einige, ja. Ein Schüler meinte, da wären ja voll wenig Bilder drin. Es ist halt kein „Gregs Tagebuch“. Was mich immer noch überrascht, ist die Frage, wo man das Buch denn kaufen könne. Einige denken, ich habe die Bücher auch selber gedruckt und verkaufe sie aus meinem Wohnzimmer heraus. An der Stelle betreibe ich dann immer „Buchhandel und Bibliotheken-Aufklärung“.
Oh je!!!! Eine lustige Vorstellung, aber irgendwie auch traurig … In Family Quest haben die Protagonist*innen einen Privatlehrer. Und der ist nicht gerade ein Sympathieträger… Warum hast Du ihn so dargestellt? Wolltest Du Dich von deinem eigenen Berufsstand abgrenzen? Oder war das Selbstironie? Selbstironie, Karikatur der eigenen Kindheitserfahrungen mit Lehrer*innen. Funfact, ich hatte selbst kein Latein in der Schule, sondern habe das Latinum erst später an der Uni versucht (und abgebrochen). Braucht man glücklicherweise als Deutschlehrer*in heute nicht mehr.
Mir ist aufgefallen, dass es eine ganze Menge Autor*innen gibt, die zuvor in Schulen unterrichtet haben. Zum Beispiel Kirsten Boie, Juma Kliebenstein, Stefanie Neeb, Frank Schwieger und natürlich Rick Riordan. Warum ist es für Lehrkräfte so attraktiv, für Kinder und Jugendliche zu schreiben? Das hat viele Gründe: Zunächst ist man ja nah dran an der Zielgruppe, nimmt an der Lebenswelt der Schüler*innen teil und – das, so glaube ich, ist zumindest bei mir so – wenn man mit Kindern und Jugendlichen zusammenarbeitet, dann bleibt man selbst länger jung. Okay, manche Schüler verschaffen einem schon graue Haare (wenn man überhaupt noch Haare hat), aber ich habe mir (ich glaube, das darf man schon sagen), in meinem Inneren noch das Innere Kind bewahrt. Das Kind, das hinter jedem umgestürzten Baumstamm im Wald einen Hinterhalt durch Orks vermutet oder bei Morgennebel auf Äckern Drachenatem (soviel zum Thema „Biolehrer“ 😉 …
Warum schreibst Du nicht für Erwachsene? Ach, ich achte ehrlich gesagt beim Schreiben nicht auf die Zielgruppe, sondern erzähle mir die Geschichten selbst. Die Geschichten, die ich selber gerne gelesen hätte oder selbst gelesen habe, nur eben in meiner Sprache.
Was schätzt Du an Deinen beiden Berufen? Und was magst Du daran nicht? Also am Lehrerdasein mag ich wirklich das klassische Beibringen von Sachverhalten, das gemeinsame Erzählen von Geschichten und Anekdoten passend zum Thema (sowohl in Bio als auch in Deutsch) und das Schüler*innen durch meine Art vielleicht ein kleines Bisschen zu besseren Menschen werden. Das soll jetzt nicht vermessen klingen. Ich weiß auch, dass ich viele SuS gar nicht erreichen kann (aus unterschiedlichen Gründen). Aber wenn mir Ex-Schüler dann irgendwann erzählen, sie haben (auch) wegen mir Bio oder/und Deutsch studiert, wollen Lehrer*in werden oder erinnern sich noch an die „Peter Fox-Stunde“ oder die Sache mit dem Mehlwürmern und Heuschrecken oder einfach nur an die Gespräche über aktuelle Themen, dann habe ich meinen Job richtig gemacht.
Und an Deinem Job als Autor? Der ist gar nicht so anders! Hier geht es auch um Geschichten, um das Erfahrung von Welten, Gefühlen und die Auseinandersetzung mit Konflikten. Nichts anderes lebe ich im Unterricht. Und ich versuche immer, all das nicht so ernst oder streng zu sehen. Denn nur, wenn man Spaß hat (im Unterricht und im Buch), dann lernt man was, dann bleibt was. Noten (das Problem unseres Bildungssystems) bestimmen nicht den Charakter eines Menschen!
Welches Deiner beiden Bücher magst du lieber? Bücher sind ja wie eigene Kinder. Man liebt sie, sie machen aber auch einen Haufen Probleme und ich zumindest kann nicht sagen, welches Buch-Kind ich jetzt lieber habe.
Aber Du blickst schon unterschiedlich auf die beiden, oder? Klar. „Family Quest“ bleibt immer mein erstes Baby (obwohl ich ja vorher auch noch eine andere, bisher unveröffentlichte Geschichte geschrieben habe). Die Geburt der McGuffins war zwischenzeitlich hart und es gab ein paar Kinderkrankheiten, die ich durchstehen musste. Aber die „Hebamme“, die wundervolle Emily Huggins vom Ueberreuter Verlag, war da sehr weise und wissend. Gerade weil „Family Quest“ mein erstes Baby war, bin ich im Umgang mit dem Buch daher auch sensibler. Bei „Doggerland“ lief alles irgendwie schon runder und lockerer, so als hätte ich dieses Kind erst viel später, also in einem höheren Alter bekommen, quasi ohne Windel und Schnuller.
Was war beim Schreiben von „Doggerland“ anders für Dich? Ich habe bei „Doggerland“ insgesamt weniger geplant, weil ich durch „Family Quest“ schon wusste, was mich im Lektorat erwartet. Stichwort: Kürzungen bei den Locations und Nebenhandlungen. Das ist nämlich immer mein Problem. Meine Geschichten ufern, trotz Plotten vorher, „nach hinten“ oft aus 😀
Hast Du schon ein neues Buchprojekt und wenn ja, worum geht’s? Ich arbeite derweil parallel an zwei Projekten (zum ersten Mal, und das ist echt stressiger, als ich dachte). Bei beiden Projekten steht natürlich wieder das Abenteuer-Feeling im Fokus, aber dieses Mal werde ich auch das Thema Schule und Unterricht mehr in den Vordergrund nehmen. Ja, es wird also mehr Typen von Lehrer*innen geben. Außerdem probiere ich damit wieder ein neues Format und eine neue Art zu erzählen aus (und dabei geht’s nicht nur um die Veränderung der Erzählperspektive und der Erzählzeit). Es wird eher deutlich interaktiver. Wer mir bei Insta folgt, der erfährt dort wahrscheinlich zuerst, was die nächsten Buchbabys werden.
Das klingt spannend! Viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch!
Daniel Bleckmanns Homepage: https://www.danielbleckmann.de
Und bei Instagram: https://www.instagram.com/daniel_bleckmann/?hl=de
Meine Rezension von seinem ersten Buch „Family Quest – Das Amulett des Merlin“ findet Ihr hier. „Doggerland“ lese ich gerade. Davon werde ich demnächst auch eine Rezension online stellen.