Interview zu „Sei ein Mädchen“

„Sei ein Mädchen“ hat mir mega gut gefallen und ich habe mich gefragt, wie Raimund und Jochen eigentlich auf die Idee gekommen sind, ein Buch über Mädchen-Klischees zu machen. Ich habe mal nachgefragt und beide haben mir ihre Antworten als Nachrichten über Instagram geschickt. Was sie mir geschrieben haben, könnt Ihr unten lesen 👇 👇 👇 Meine Rezension von „Sei ein Mädchen“ findet Ihr hier.

Ein ausführliches Interview mit Jochen Till und Raimund Frey habe ich im März 2019 auf der Buchmesse in Leipzig geführt. Das könnt Ihr hier lesen: „In Deutsch hatte ich immer ’ne vier“

Und nun viel Spaß!

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Jochen Till hat u.a. die bekannte „Luzifer Junior“-Reihe geschrieben

Hey Jochen, wer von Euch beiden hatte eigentlich die Idee zu dem Buch? Und wie seid Ihr darauf gekommen? Hi! Auf die Idee sind wir zusammen während einer gemeinsamen Lesereise beim Abendessen gekommen. Das Thema lag uns schon immer am Herzen, wir sind beide überzeugte Feministen (wenn man das überhaupt sagen darf als Mann?). Wir haben uns dann recht schnell dazu entschlossen, das Ganze witzig und sehr direkt anzugehen, weil man mit Humor oft mehr erreicht als mit langwierigen, ernsten Texten.

 

Wie kommt es, dass Ihr Euch beide als Feministen versteht? Das ist ja mega cool. Ich glaube, es gibt nicht viele Männer, die das von sich sagen… Na, ich hoffe, dass es doch mittlerweile einige gibt. Ich fand schon immer, dass Frauen das stärkere Geschlecht sind. Und in letzter Zeit tut sich ja zum Glück und endlich einiges (me too zum Beispiel), was hoffentlich zu einem besseren und gleichberechtigteren Umgang mit Frauen beiträgt. Und vielleicht trägt unser kleines Buch ja auch dazu bei, dass Mädchen sich selbstbewusster und selbstverständlicher betrachten. Das würden wir uns jedenfalls wünschen.

Würdest Du Dich mit Deinem „Sei ein Mädchen“-Shirt eigentlich auch in eine Kneipe trauen? Logisch. Damit habe ich kein Problem. Das ziehe ich überall an.

Wie cool! Finde ich super! Das hat meine Freundin auch gerade gesagt…

Hihi. Viele Grüße an Kerstin! Wird es eigentlich auch ein Buch zu Jungs geben, das mit den üblichen Klischees aufräumt? Ich glaube, mit Jungs würde es nicht so gut funktionieren, weil die Vorurteile, die Jungs betreffen im Gegensatz zu denen, die Mädchen immer zu hören kriegen, zum Großteil auf positiven Begriffen beruhen: Jungs sind stark. Jungs sind mutig. Jungs sind clever. Da kann man einfach keine witzigen Bilder machen, die das Gegenteil zeigen.

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Raimund Frey ist Illustrator. Er und Jochen arbeiten oft zusammen (z.B. bei der Reihe „Luzifer junior“) und sind auch privat befreundet

Hey Raimund, wie seid Ihr auf die Idee gekommen, ein Buch über Mädchen zu machen? Irgendwie kamen wir auf das Thema Vorurteile. Und Mädchen haben mit sehr vielen Vorurteilen zu kämpfen. Jungs natürlich auch. Zum Beispiel: „Jungen weinen nicht“. Aber für Mädchen gibt es so viel, wie sie zu sein haben, was sie als „Frauensachen“ zu übernehmen haben und was als „Männersache“ nichts für sie ist.

Jochen hat mir geschrieben, dass Ihr Euch beide als Feministen versteht. Siehst Du das auch so? Ja genau, da hat er recht. Feminismus ist ja im Prinzip das Eintreten für die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Eigentlich selbstverständlich. Das ist es heutzutage leider aber immer noch nicht.

Das stimmt. War es eigentlich schwierig, die Bilder zu finden oder hattest Du schon immer gleich alles im Kopf? Ja und nein. Zu vielen hatte ich gleich Ideen im Kopf, z.B. „Mädchen sind hübsch“.

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Einige hatte natürlich auch Jochen, z.B. „Mädchen sind schwach“. Da habe ich direkt an dem Abend Skizzen gemacht, die ich genau so übernommen habe. Das passiert sonst nie, weil meine Skizzen sonst super-hudelig sind. Zu vielen mussten wir aber auch lange überlegen, bis uns was Gutes eingefallen ist. Und es war relativ viel Arbeit, möglichst viele unterschiedliche Figuren zu erfinden, die auch die passende Mimik und Gestik haben. Grade wenn der Fokus nur auf einer Figur ist, machen winzige Veränderungen schon sehr viel aus.

Wart Ihr Euch denn immer einig? Naja, es gab auch Diskussionen untereinander und mit dem Verlag. Zum Beispiel bei der Hochzeitsszene. Da hat der Verlag vorgeschlagen, mehrere Mädels zu machen, denen der Brautstrauß egal ist. Aber Jochens Freundin hat die ursprüngliche Szene verteidigt, weil es auch völlig OK sein darf, als einzige da keinen Bock drauf zu haben. Und bei dieser Szene gab es auch den Vorschlag, dass dieses Mädchen desinteressiert in ihr Handy gucken sollte. Das fand ich aber nicht gut, weil ihr das einen unsympathischen Touch von einer Zicke, die bei Hochzeiten lieber in ihre Social Media-Kanäle guckt, gegeben hätte. Du merkst, da kann man sich über 1000 Sachen Gedanken machen…

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Echt spannend! Gab es denn auch (fast) fertige Illus zu bestimmten Klischees, die ihr dann nicht verwenden konntet? Oder welche, die Du noch gerne gemacht hättest? Ja, es sind zwei oder drei rausgeflogen, weil der Verlag die zu ähnlich fand. Ansonsten gibt es natürlich 1000 Klischees, aber ich glaube, wir haben alle, die wir wirklich wichtig fanden, drin. Und es sollte ja nicht zu speziell werden.

Könnte es auch ein Buch geben, das mit Klischees über Jungs aufräumt? Ich fänd’s gut. Ist halt so eine Sache: Einerseits haben Frauen bei der Gleichberechtigung deutlich das Nachsehen und deshalb könnte man das Buch auch einfach so stehen lassen und kein entsprechendes Jungsbuch machen. Andererseits gibt es genügend Jungen, die unter Vorurteilen leiden. Zum Beispiel schon ganz einfach, wenn eine Frau „zwei starke Männer“ verlangt, die ihr ein schweres Möbelstück verrücken und alle anderen Jungs, die vielleicht nicht besonders muskulös sind, sich schlecht fühlen. Anderes Beispiel: Eine Freundin von mir hat einen Sohn, der die Farbe Rosa liebt. Der darf natürlich rosa Pullis tragen. Da gibt es aber bestimmt auch Eltern, die das nicht erlauben würden, einfach, weil Jungs „nicht rosa sind“.

Jochen hat zu Bedenken gegeben, dass so ein Buch optisch auch nicht so einfach umzusetzen wäre. Du bist ja derjenige, der die Bilder zeichnet. Siehst Du das auch so? Hm, es wäre auf jeden Fall schwieriger. Zum Beispiel zu zeigen, dass es ok ist, nicht mutig oder nicht stark zu sein. Es ist trotzdem nicht undenkbar. Man könnte bestimmt genug andere Sachen finden: „Jungs kämpfen gerne“, „Jungs weinen nicht“, „Jungs sind sportlich“.

Ist es denn denkbar, dass Ihr ein Jungs-Buch macht? Ja, warum nicht. Aber erst mal gucken, wie dieses ankommt. Ein Jungs-Buch dürfte dann aber auch kein Abklatsch vom Mädchen-Buch werden, sondern müsste schon etwas eigenständiges und sinnvolles sein.

Ok. Letzte Frage: Hast Du in dem Buch eine oder mehrere Lieblingsillus? Ja! Am liebsten mag ich das Gothic girl aus „Rosa“. Aber auch „Hübsch“, „Prinzessin“ und die Coverillu. Aber ich bin tatsächlich mit allen ziemlich glücklich – was bei mir nicht oft vorkommt.

Lieber Raimund, lieber Jochen, vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt, meine Fragen zu beantworten!